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Mein Wahltag

 

“Wahltag ist Zahltag” hatte die NPD mal auf ihre Plakate gedruckt und damit gemeint, dass man es den bösen bösen Buben im Bundestag so richtig zeigen könne, wenn man nur die besorgten Bürger mit patriotischer Grundeinstellung über die Fünfprozenthürde hebe. Bisher hat das zum Glück noch nicht geklappt – vielleicht sollten sich unsere braunen Brüder mal Nachhilfeunterricht in Mexiko nehmen, wie das mit dem bezahlen so ist.

Der dritte, chancenlose, Kandidat im Rennen.

Die Mexikaner hatten nämlich diesen Sonntag das Vergnügen neue Bürgermeister, Landesparlamente und Gouverneure zu wählen. Und die haben das mit dem Zahltag ganz anders verstanden als die glatzköpfigen Brandstifter in Alemania: Zum einen, weil sie unglaublich viel Geld in den Wahlkampf gesteckt haben (man deutete mir, es gebe für den Gewinner auch viel zu holen), andererseits, weil sie ihren potentiellen Wählern weit mehr geboten haben als das zweifelhafte Vergnügen von Rassisten und Hetzern regiert zu werden. Nein, in Mexiko ist der Wahlkampf ganz handfest; bei mir zumindest kam das Gefühl auf, hier werde der Wähler ganz offen bestochen.

Da plakatiert etwa das konservative Bündnis um die PAN: “Ein Traktor für alle 10 Hektar Land” – ob einGroßgrundbesitzer dann gleich mehrere Traktoren abbekommt weiß ich

Mauern zu bemalen ist in Mexiko nicht nur zu Wahlzwecken üblich

nicht. In der Sozialsiedlung la Margarita warben sie damit die lädierten Häuser gratis zu streichen. Die eher linke PRI (Partei der institut- ionalisierten Revolution – was für ein Name!) umwarb hingegen Familien mit dem Versprechen, Schuluniformen und Schulmaterialien gratis zu stellen. Nebenbei feierten sie im Parque Juarez eine “Gesundheitsmesse” wo um ihr Wohlbefinden bangende Bürger sich mit Wi-Fi Spielen fit halten konnten, auf Massageapparaten durchgerüttelt wurden, von Assistenten den Blutdruck gemessen bekamen und so ganz nebenbei mit dem Ohrwurm “Wir wählen alle Zavala, er ist ein ehrlicher Mann!” eingetrichtert. Beide Parteien verteilten an Straßenkreuzungen und in der Stadt Medikamente, Energiesparbirnen, WM-Planer und dergleichen mit der jeweiligen Parteiaufschrift.

In der Margarita wird grossflächig geworben!

Man kann hier also schon eine Tendenz erkennen, die ich in Deutschland höchstens bei der FDP und ihren Hotelierfreunden sehen möchte.

Es gibt aber auch Werbung, die ganz einfach auf die Botschaft setzt: Wir sind nette Menschen. Und weil man das nicht so einfach glaubt, widerholen die verschiedenen Parteien diese gute Nachricht einfach zehntausendmal und in überraschend phantasievollen Formen: Es gibt die üblichen Plakate in riesig, in Pappe und auf Zellophan (nicht sehr langlebig), es gibt riesige Gasballons, Menschen die Banner während der Rotphase der Ampel hochhalten, an Wände gemalte Parolen, Auto- und Busaufkleber und mit Lautsprechern bestückte Wagen die schlecht gereimte Liedchen spielen. Es gibt Hundertschaften von bezahlten Studenten die im Häuserkampf eins zu eins um Stimmen ringen. Es gibt natürlich Fernseh- und Radiospots, die in ihrer Fähigkeit zum nerven nur noch von denen des Institutes für Wahlen übertroffen werden.

Das wahlweise Nationale oder Bundesstaatliche Institut für Wahlen hat nämlich seine ganz eigene Wahlkampagne laufen um die Bürger von der imensen Wichtigkeit der Wahl zu überzeugen und ganz nebenbei auch noch zu erklären, wie das eigentlich funktioniert mit der gelebten Demokratie. Leider begann der Djingle „Wir gehen wähleeeeen! Ganz Puebla geht wähleeeeeen! Diesen 4. Juli geht ganz Puebla wähleeeeeen!Diese Wahl machst du, und mit deiner Stimme, machen wir es alle!“ schon im Mai mich zu nerven und wurde am 3. Juli noch immer widerholt. Die Wahlbeteiligung ist trotzdem erschreckend niedrig: angeblich 30 Prozent.

Alles in Allem freute ich mich allerdings auf diese Wahl. Ganz Puebla schien aufgeregt zu sein, überall wurde heiß diskutiert und dargelegt, warum alle Politiker korrupt sind, warum Zavala ein ehrlicher Mensch sei oder warum sein Gegner eigentlich der bessere Kandidat sei. Die einen hielten überhaupt nichts davon zu den Urnen zu gehen, die anderen folgtem dem Aufruf einiger anonymer Plakate, die Wahl zu annulieren. Und bestimmt gab es einige, die nur wählen gingen, um nachher mit ihrem eingefärbten Daumen in Laden nebenan Rabatt zu bekommen….

Wahlkabine in Mexiko - zumindest öffentlich findet die Wahl statt

Am Sonntag- morgen waren dann bereits alle Wahllokale aufgebaut, eins praktischerweise direkt in der Einfahrt unseres Hauses. Da standen dann eine wakelige Wahlkabine, drei Urnen aus Papier und Plastik und ein Tisch mit drei Wahlhelfern, der Fingerfarbe, den Wahlzetteln und einem dicken Buch in dem die Wählerausweise aller für dieses Lokal registrierten Wähler

Wahlurnen

abgebildet waren. Meine Mitbewohnerin Itzel hatte jedoch Pech: Obwohl die Wahlurne nur 50 Meter vor ihrer Haustür stand war sie aus irgendeinem Grund für ein ganz anderes Kabinchen eingetragen worden und musste sich erstmal auf die Suche machen, wo das denn wohl zu finden sei.

Meine Mitbewohnerin Itzel will wählen

Und eben das war wohl vielen Mexikanern zu anstrengend. Jedenfalls blieb es den ganzen Tag über ruhig. Vielleicht lag das auch an der Alkoholsperre, die seit Freitagnacht verhängt worden war: Wer konnte schüttete sich am Freitag nochmal so zu wie er konnte, um das Wochenende zu überstehen…. Kater also garantiert.

Gewonnen hat in Puebla übrigends die Opposition PAN. Das erste Mal seit gut 80 Jahren, dass nicht die PRI den Gouverneur stellt – eine kleine Revolution.

Im beschaulichen Puebla fast unbemerkt ist in anderen Teilen des Landes die Wahl nicht ganz so ruhig verlaufen.

Mein Zweifel an der Werbung

In NRW wird bald gewählt. Das ist nicht nur interessant, sondern auch wichtig! Immerhin leben in NRW fast ein Viertel der deutschen Bevölkerung und auch auf die Bundesregierung wird das Wahlergebnis Auswirkungen haben. Damit ihr euch also später nicht ärgert:  Wählen gehen!!! Wemm du nicht weisst wen, hol dir Tipps beim Wahl-o-mat oder wähl wenigstens ungültig!

Auch in Mexiko sind bald Wahlen angesagt. Und zwar nochmal ein bisschen wichtigere, denn zu vergeben sind nicht nur ein paar Parlamentssitze und eine Landesregierung, sondern gleich alle Posten die es auf Länder- und Komunalebene gibt. Noch dazu dürfen Gouverneure, Bürgermeister und auch der Staatspräsident nicht für eine zweite Amtszeit antreten. Es gibt also eine Menge Wechsel in Mexiko nach dem 4 Juli.

Eigentlich ist bis zum 4. Juli noch viel Zeit, trotzdem haben die Parteien die Strassen bereits mit Plakaten und allem Möglichen gepflastert. In Puebla gehen vor allem drei Bündnisse an den Start: dem Compromis für Puebla , gebildet aus der wirtschaftsliberalen PAN (Partei der nationalen Aktion) und etlichen kleinen Parteien, der Allianz Puebla, bestehend aus Grünen und der PRI (Partei der institutionalisierten Revolution), ausserdem gibt es noch einen bärtigen und sympathischen Kandidaten der Kommunisten.

Geworben wird mit allem was geht, Plakate, Radiospots, Laternenplakate die aus hauc¨hdünnem Plastik bestehen, Plakate die von jungen Leuten durch die Strasse getragen werden, beleuchteten Ballons über den Köpfen, Aufklebern auf Autos, kostenlosen medizinischen Untersuchungen, Lautsprecherwagen und und und.

Gleichzeitig wirbt aber noch jemand: Das Bundeswahlinstitut IFE. Diese Regierungseinrichtung bemüht sich mit aller Kraft darum, die Mexikaner an die Wahlurnen zu bekommen – und nervt damit langsam! Zunächst war ich ja begeistert von den kleinen Radiodialogen, den Fernsehspots und den Plakaten die immer wieder Gründe für und gegen das Wählen abwogen und schliesslich schlussfolgerten: „La Eleccion, la haces tu. Y con tu voto, lo hecemos todo!“ Die Wahl machst du, und mit deiner Stimme machen wir es alle (was auch immer das heisst!) 

Genau das ist aber inzwischen ein solcher Dauerbrenner im Radio und Fernsehen, dass ich die Texte im Schlaf mitsprechen kann. Es nervt!

Davon abgesehen offenbart sich einmal mehr der mexikanische Rassismus. Den bekomme ich als Weisser nämlich nicht zu spühren, weil er sich nicht gegen Weisse sondern gegen die Indigenen, die eigentlichen Mexikaner, richtet. Anders als in den USA aber ist das keine kleine, unbedeutende Minderheit. Fast jeder Mexikaner hat indigenes Blut in seinen Adern – und trotzdem: dunkel ist out! Wirft man einen Blick in mexikanische Modemagazine, schaut mal Werbung oder sieht Plakate am Strassenrand, dann fällt einem als Europäer erstmal nichts auf. Die Menschen in der Werbung sehen nämlich genauso aus, wie in Europa. Nur die Mexikaner, die sehen anders aus. Wie man so die Kundschaft erreicht ist mir fragwürdig.

Auch das IFE hat sich so ein Plakat geleistet. „Vamos a votar!“ Wir gehen wählen – steht fett drauf, umgeben von hunderten strahlenden Gesichtern anscheinend fest entschlossener Wähler. Zunächst fiel mir auf, dass auf dem Plakat tatsächlich nur ca. 10 Personen zu sehen waren. Und als nächstes, dass zwar Männer und Frauen berücksichtigt wurden, ja auch an die schwarze Bevölkerung hat man anscheinend gedacht – nur mexikanische Gesichter konnte ich nicht finden. Da hat sich wohl jemand die Mühe gemacht, ein Plakat aus den USA zu importieren….

A propos importieren: Wer kann sich noch an die damals heiss diskutierte „DU BIST DEUTSCHLAND“ Kampagne erinnern? Seit kurzem läuft hier „Du bist Mexiko“ – ja wer bin ich denn jetzt?